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Aufgaben und Ziele

Beschluss des 38. Plenums des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, 14. Mai 2011

Das Plenum bittet den Vorstand des Aktionsbündnisses, eine Arbeitsgruppe zu berufen, die über den Umgang mit rechtsextremen Aufmärschen beraten soll.

 

Grundlage

Nach § 3 Absatz 5 der Geschäftsordnung können „durch Beschluss des Aktionsbündnisses (…) Kommissionen mit einem bestimmten eingegrenzten Auftrag gebildet werden. In diese Kommissionen können neben Mitgliedern des Aktionsbündnisses auch weitere kompetente Personen berufen werden, die zu dem Auftragsergebnis einen wesentlichen Beitrag leisten können.“

 

Auftrag

Die Arbeitsgruppe soll

  • die Rechtslage und Rechtsprechung bezüglich rechtsextremer Aufmärsche und Protestveranstaltungen zusammenfassend und allgemeinverständlich darstellen,
  •  das sich verändernde rechtsextreme Demonstrationsgeschehen zusammenfassend darstellen,
  •  Erfahrungen und Anliegen der Mitglieder des Aktionsbündnisses aufnehmen und einbeziehen,
  •  Erfahrungen und Anliegen von Versammlungsbehörden, Polizei und Kommunen berücksichtigen,
  •  Erfahrungen mit kontroversen Diskussionen über Protestaktionen auswerten, um Wege zu suchen, wie das gemeinsame Anliegen bei unterschiedlicher Auffassungen Geltung bekommen kann,
  •  Erfahrungen aufnehmen und Wege aufzeigen, wie im Bewusstsein der unterschiedlichen Rollen Spannungen zwischen demokratischen Versammlungsteilnehmern, Versammlungsbehörden und Polizei vermieden werden können.

Die Arbeitsgruppe stellt ihre Ergebnisse dem Aktionsbündnis spätestens zwei Jahre nach ihrer ersten Sitzung vor. Diese werden anschließend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

Begründung

Im Aktionsbündnis besteht Konsens, dass Rechtsextreme nicht unwidersprochen marschieren dürfen. Im Vorfeld der Kommunalwahlen 2008 wurde beschlossen, auf Auftritte Rechtsextremer offensiv zu reagieren. Dies wurde seither weitgehend umgesetzt: Über die Inhalte der extremen Rechten wurde und wird durch Veranstaltungen und Publikationen aufgeklärt, Gedenktage werden durch demokratische Versammlungen und Veranstaltungen „besetzt“ und rechtsextreme Aufmärsche durch verschiedene Formen des Protests begleitet.

Dabei wird eine Vielfalt von Protestformen praktiziert: demonstratives Wegschauen, Aufhängen von Plakaten an der Marschroute, Konzerte oder Lesungen in Hörweite, Sportveranstaltungen, Auspfeifen und Hupkonzerte, Gegendemonstrationen, Mahnwachen, symbolisch den „braunen Dreck wegputzen“, Schweigemärsche, Kundgebungen, Demokratie- und Bürgerfeste, Straßenblockaden, Fahrradrennen und vieles mehr.

Die Protestformen wandeln sich und lassen sich dabei von anderen Orten und Auseinandersetzungen inspirieren. Ein Beispiel dafür ist die Kochtopfdemo, mit der Neuruppin bleibt bunt gegen einen rechtsextremen Aufmarsch am 9. Juli protestieren will: Das demonstrative Lärmen mit Kochtöpfen („Cacerolazo“) geht auf Proteste in Argentinien während der Wirtschaftskrise 2001 zurück.

Die von den Friedens- und Antiatombewegungen schon seit Jahrzehnten praktizierten Sitzblockaden erleben derzeit als Form des Protestes gegen rechtsextreme Aufmärsche eine Konjunktur. Neben einer allgemein zu konstatierenden Zunahme von Formen zivilen Ungehorsams in gesellschaftlichen Konflikten, etwa anlässlich der Castor-Transporte oder des Stuttgarter Bahnhofsneubaus, liegt ein Grund dafür darin, dass es Rechtsextremen aufgrund von Sitzblockaden in letzter Zeit kaum mehr gelingt, Großdemonstrationen durchzuführen. Die Verhinderung des Naziaufmarsches in Dresden 2010 hat diese Entwicklung bundesweit beflügelt. Auch bei kleineren Aufmärschen in Brandenburg kam es seitdem in Neuruppin, Bernau, Strausberg und Cottbus zu Sitzblockaden.

In unserer Geschäftsordnung bekennen wir uns zur Gewaltfreiheit und zur Pluralität des demokratischen Engagements. Diese Grundsätze sind auch beim Umgang mit rechtsextremen Aufmärschen unsere Richtschnur:

„Das Aktionsbündnis sieht seinen Zweck darin, dass es allen politischen Initiativen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit die grundsätzliche Unterstützung der brandenburgischen Gesellschaft zusichert, und sich für Gewaltfreiheit, die Achtung der Menschenwürde und demokratisches Engagement einsetzt“.

Dass Beteiligte vor Ort und möglichst gemeinsam über Aktivitäten entscheiden, hat sich zudem als gute Praxis erwiesen.

Aus mehreren Gründen besteht Bedarf für eine tiefer gehende Diskussion:

Rechtsextreme reagieren auf polizeilichen Druck und zivilgesellschaftlichen Protest, indem sie von Großdemonstrationen zunehmend Abstand nehmen. Stattdessen sind vermehrt nicht öffentlich vorbereitete „Spontandemonstrationen“, Flashmobs, Mahnwachen und die Beteiligung an Karnevalsumzügen zu konstatieren. Möglicherweise ändert sich auch insgesamt der Stellenwert von Aufmärschen für die Wirkung des organisierten Rechtsextremismus in die Gesellschaft.

Die Rechtslage und Rechtsprechung und ihre Auswirkungen auf das Demonstrationsgeschehen sind nicht hinreichend allgemein bekannt. Zudem haben sich diese in jüngster Zeit deutlich verändert: So hat das Bundesverfassungsgerichts im November 2009 eine Grundsatzentscheidung dazu getroffen, in welchen Fällen die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit von Rechtsextremen behördlich beschränkt werden können. Auch zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Sitzblockierende das Versammlungsrecht für sich in Anspruch nehmen können, liegt eine Bundesverfassungsgerichtsbeschluss von März 2011 vor.

Der Streit um den Umgang mit Naziaufmärschen kann die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten gefährden. Das zeigt besonders das Beispiel Dresdens, schwere Konflikte und Sprachlosigkeit innerhalb der Zivilgesellschaft sowie zwischen Bürgerschaft und Behörden hat es aber auch in Brandenburg gegeben. Alle Beteiligten, Versammlungsanmelder und -teilnehmende, Versammlungsbehörden, Justiz und Polizei, auch Kommunen und Medien, kommt dabei Verantwortung zu.

Die Arbeitsgruppe soll dem Aktionsbündnis Wissen zur Verfügung stellen und einen Beitrag dafür leisten, dass die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten angesichts von Veränderungen und unterschiedlicher Auffassungen im Umgang mit rechtsextremen Aufmärschen erhalten wird.

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