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Hintergrund: Demonstrationsverbote


Vor allem seit der Wiedervereinigung gehören Demonstrationen zum Aktionsrepertoire der extremen Rechten. Veranstaltet werden diese meist von sogenannten Freien Kameradschaften oder der NPD. Immer wieder wird der Wunsch laut, Neonazi-Veranstaltungen einfach zu verbieten. In den meisten Fällen halten Verbotsverfügungen vor Gericht jedoch nicht Stand.
 

Verbote werden oft gekippt

Am 1. Mai 2011 wollte die NPD in Greifswald mit dem Motto „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen!“ marschieren. Das Greifswalder Verwaltungsgericht untersagte die Demonstration und folgte damit der Argumentation der Stadtverwaltung, die das Motto als Volksverhetzung eingestuft hatte. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hob das Verbot wieder auf, die NPD-Demonstration konnte unter Auflagen stattfinden.

Bestand hatte dagegen das Verbot eines Aufmarsches am 24. September 2011 in Frankfurt (Oder) zu Ehren des von Neonazis verehrten Skrewdriver-Sängers Ian Stuart Donaldson. Das Polizeipräsidium des Landes Brandenburg hatte das Verbot mit einem eindeutigen Bezug auf verbotene Organisationen wie Blood & Honour und Combat 18 begründet.
 

Was muss eine Demokratie ertragen?

Sich öffentlich versammeln und seine Meinung frei äußern zu können, das sind Grundrechte, die das Wesen einer Demokratie ausmachen. Solange eine Partei oder Organisation nicht verboten ist, gilt diese Freiheit auch für die extreme Rechte. Das bedeutet nicht, dass in einer Demokratie alles geduldet werden muss. So wird die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§86 a StGB), dazu zählt etwa der Hitlergruß, und die Leugnung des Holocaust (§130 StGB) bestraft. Mit der „Wunsiedel-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts wurde 2009 zusätzlich das öffentliche Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft unter Strafe gestellt. Seither sind die Rudolf-Heß-Gedenkmärsche im fränkischen Wunsiedel verboten.
 

Versammlungsrecht der Länder

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 können die Bundesländer eigene Versammlungsgesetze verabschieden. Wiederholt wurde auf diesem Weg seither versucht, gegen extrem rechte Aufmärsche vorzugehen. So wurden in Brandenburg die regelmäßigen Neonaziaufmärsche am Soldatenfriedhof in Halbe durch das sogenannte Gräberstätten-Versammlungsgesetz dauerhaft untersagt.

Das Sächsische Versammlungsgesetz sieht die Möglichkeit von Versammlungsverboten vor, wenn sie an Orten stattfinden, die an Opfer nationalsozialistischer oder kommunistischer Gewaltherrschaft und Opfer eines Krieges erinnern, oder wenn die Demonstration die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus verharmlost. Explizit genannt wurden das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, die Dresdner Frauenkirche und, am Jahrestag der Bombardierung der Stadt am 13. und 14. Februar 1945, Bereiche der Dresdner Altstadt. Im April 2011 wurde dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt, ein überarbeiteter Entwurf dann im Januar 2012 verabschiedet.
 

Auflagen statt Verbote

„Die Verfassung gewährt auch den Feinden der Freiheit Schutz“, sagte Hans-Jürgen Papier (CSU) bei einem Symposium über die Neonazi-Aufmärsche in Dresden im Mai 2011. Als ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts hatte er die „Wunsiedel-Entscheidung“ mit herbeigeführt.

Konkret schützt der Artikel 5 des Grundgesetzes den kommunizierten Inhalt, auch wenn sich dieser gegen demokratische Grundwerte richtet. Nach Artikel 8 des Grundgesetzes muss eine zu schützende Versammlung zwar gewaltfrei sein. Doch selbst wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet scheint, kann die Versammlung nicht komplett untersagt werden. Hier muss der Staat zunächst die Möglichkeiten ausschöpfen, die Versammlung mit Auflagen zu belegen. Das kann den Ort, die Zeit oder auch die Form betreffen.

Was die einen als notwendige Auflagen betrachten, stellt für andere ein Teilverbot von Versammlungen dar. Kritikerinnen und Kritiker wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie sehen in Beschränkungen des Versammlungsrechts eine Aushöhlung der Grundrechte und eine Gefahr für die Demokratie.


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