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Hintergrund: Bündnisse


„Ich meine, daß wir eine Solidarität gegen diese menschenverachtende Gewalt brauchen, die nicht nur den sogenannten Durchschnittsbürger einbezieht, sondern vom stramm Konservativen bis zum autonomen Spektrum reicht. Der Kampf gegen den gewalttätigen Rechtsextremismus ist eine patriotische Pflicht.“

Diese Forderung erhob im Juli 1996 der damals neue Generalstaatsanwalt Brandenburgs, Erardo C. Rautenberg (SPD), angesichts einer Serie von Morden und brutalen Überfällen Rechtsextremer. Die Herausforderung der Gesellschaft durch rechte Gewalt hat sich seitdem nicht grundsätzlich geändert. Dass all jene, die sich zu demokratischen Grundwerten und den Menschenrechten bekennen, gegen diese Gefahr zusammenstehen, ist auch heute nicht selbstverständlich.
 

Friedlicher und vielfältiger Protest

In vielen Bündnissen gegen rechts arbeiten demokratische Parteien, Kirchen und Verbände mit linken Antifagruppen und Autonomen zusammen. Für den Erfolg solcher Bündnisse die Haltung gegenüber Gewalt und eine Anerkennung der Vielfalt der Aktionsformen wichtig. Denn gewaltsame Aktionen, die Autonome teilweise befürworten, lehnen viele Bürgerinnen und Bürger ab. Schädlich für das gemeinsame Anliegen ist es auch, wenn verkündet wird, diese oder jene Aktion – zum Beispiel ein Straßenfest oder eine Sitzblockade – sei das einzig richtige Zeichen gegen Neonazis.

Das Bündnis Dresden nazifrei hat sich deshalb auf einen sogenannten Aktionskonsens geeinigt, der einen Gewaltverzicht beinhaltet und zugleich ein Versprechen, verschiedene Protestformen anzuerkennen: „Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Nazimarsch. Von uns geht dabei keine Eskalation aus. (…) Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.“
 

Feindbild Linkspartei

Die CDU wirkt an solchen Bündnissen nur selten mit. Ein Grund dafür ist, dass in der Union umstritten ist, inwiefern die LINKE als demokratische Partei anzuerkennen ist. Stramm Konservative innerhalb der CDU halten die Partei vielmehr für ebenso verfassungsfeindlich wie die NPD. So meint der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt etwa, wenn die NPD verboten werde, müsse dies auch für die LINKE gelten.

Wohin diese Haltung führen kann, zeigen die Geschehnisse im sächsischen Limbach-Oberfrohna. Der CDU-Stadtverband hatte die NPD eingeladen, an einem „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ teilzunehmen. Nach scharfer Kritik schloss das Bündnis jedoch nicht nur die NPD, sondern auch die Linkspartei aus.

Jörg Schönbohm, der ebenfalls zum konservativen Flügel der Union zählt, sieht dagegen, im Licht seiner Erfahrungen als brandenburgischer Innenminister, die Notwendigkeit und die Möglichkeit des gemeinsamen Engagements gegen Neonazi-Aufmärsche. Bei einem Symposium in Dresden im Mai 2011 berichtete er über Diskussionen mit der Linkspartei anlässlich der Proteste gegen die Nazi-Großdemonstrationen am Waldfriedhof Halbe: „Ich habe gesagt: Leute, wir machen das gemeinsam, ich laufe nicht hinter der roten Fahne her. Wenn wir das gemeinsam machen wollen, müssen auch alle verzichten und deutlich machen, dass wir als Demokraten da sind und nicht für die eine oder andere Partei.“
 

Unterwanderung der Zivilgesellschaft?

Oft steht hinter solcher Abgrenzung die Befürchtung, Linksextremisten würden versuchen, „zivilgesellschaftliches Engagement für sich zu instrumentalisieren, um die Demokratie zu unterwandern und verdeckt Gewaltaktionen vorzubereiten“. So formulierte es der Verfassungsschutz Brandenburg in seinem letzten Bericht mit Blick auf Demonstrationen des Bündnisses „Brandenburg nazifrei“. Diese Einschätzung hielt das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit für unbegründet; es könnte darüber hinaus auch der Bereitschaft schaden, gemeinsam für demokratische Werte einzutreten, wenn bürgerschaftliches Engagement mit Linksextremismus in Verbindung gebracht wird.

Die einen sehen den demokratischen Grundkonsens gefährdet, die anderen das zivilgesellschaftliche Engagement – wie groß das Konfliktpotenzial beim gemeinsamen Kampf gegen Rechts ist, zeigt auch der Streit um die so genannte „Demokratieerklärung“. Die verlangen die Bundesregierung und CDU-geführte Landesregierungen seit etwas über einem Jahr von Vereinen, die Fördergelder für ihr Engagement gegen rechts erhalten. Damit keine Extremisten von der Förderung profitieren, müssen sich die Vereine verpflichten, die Gesinnung ihrer Partner zu überprüfen. Viele Projekte gegen rechts reagieren empört; Verbände, Grüne, SPD und Linke geben ihnen Recht.
 

Strittiger Extremismusbegriff

Wer als demokratisch anzuerkennen ist, darüber gehen die Meinungen also auseinander. Eine Klärung wird dadurch erschwert, dass weitgehende Uneinigkeit darüber besteht, was denn Extremismus und insbesondere Linksextremismus überhaupt sei. In den Sozialwissenschaften ist der Begriff des Extremismus, auf den sich der Verfassungsschutz und andere Behörden stützen, umstritten. Auch das Deutsche Jugendinstitut riet der Bundesregierung in der Evaluation des Bundesprogramms gegen Linksextremismus „Initiative Demokratie stärken“ dazu, zunächst „den inhaltlichen Gegenstand näher zu bestimmen.“


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