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Nächtlicher Fackelmarsch in Hennigsdorf

Anzeige für Erich Priebke

Am Freitag, den 27. Juli 2012, führten Neonazis einen unangemeldeten Aufmarsch in Hennigsdorf (Oberhavel) durch. Etwa 40 maskierte Teilnehmer/innen zogen gegen 22.30 Uhr lautstark Parolen rufend mit Fackeln und Transparenten durch die Innenstadt. Matthias Müller, MBR Berlin

Engagierte Bürger/innen verständigten die Polizei. Bei deren Anrücken flüchteten die Neonazis, einige wurden festgenommen. Laut Polizei nahmen an dem Aufmarsch vor allem Neonazis aus Berlin und Brandenburg teil. Da der „Nationale Widerstand Berlin“ auf seiner Website als erstes über den Aufmarsch mit Fotos berichtete, vermuten Szenekenner/innen diesen Berliner Personenkreis der „Autonomen Nationalisten“ zu den Initiatoren dieser Aktion.

Die Masken trugen das Gesicht von Erich Priebke, einem in Hennigsdorf geborenen NS-Kriegsverbrecher, der zwei Tage später 99 Jahre alt wurde. Der ehemalige SS-Offizier war im März 1944 in der Nähe von Rom an einem Massaker an 335 Zivilpersonen beteiligt.

Unangemeldete und nächtliche Aufmärsche gehören schon länger zum Aktionsrepertoire von Neonazis, auch und insbesondere in Brandenburg. Vor allem die „Spreelichter“ verhüllten sich mit Masken bei ihren Aktionen und erreichte mit ihrer Kampagne „Werde unsterblich“ bundesweit mediale Aufmerksamkeit. Diese neonazistische Gruppierung wurde nur wenige Wochen zuvor vom brandenburgischen Innenministerium verboten. Das Verwenden der Masken in Hennigsdorf kann als eine bewusste Antwort auf dieses Verbot verstanden werden.

 

Vorbilder aus dem Dritten Reich

Mit der Ästhetik des nächtlichen Fackelmarsches werden Assoziationen zu den Aufmärschen der SA hervorgerufen. Das stilistische Mittel der Fackel findet ebenso Verwendung bei extrem rechten Veranstaltungen zum Volkstrauertag, auf denen sie den „Kämpfern für das deutsche Reich“ gedenken. Neonazis präsentieren sich an solchen Anlässen in einer historischen Traditionslinie und wähnen sich als heutige „Soldaten für Deutschland“. Mit dem Bild von Erich Priebke auf den Masken solidarisieren und identifizieren sie sich mit dem ehemaligen SS-Angehörigen. Gleichzeitig wird das Beispiel Priebke für eine neonazistische geschichtspolitische Interpretation genutzt. Nach deren Auslegung haben Wehrmacht, Waffen-SS und andere vor allem tugendhaft und ehrenvoll gekämpft. Deren Verbrechen und die vielen Opfer bleiben unerwähnt.

Die Außenwirkung von solch konspirativ vorbereiteten Aufmärschen ist gering. Auf die Mehrzahl der Menschen in Hennigsdorf wird das nächtliche Spektakel der Neonazis wohl eher bedrohlich als ansprechend gewirkt haben. Die Bevölkerung ist bei dieser Aktionsform aber weniger der Adressat. Vielmehr sollen sie vor allem die Gruppenidentität der Beteiligten stärken. Die Selbstinszenierung und die Betonung des Eventcharakters stehen dabei stärker im Zentrum als die öffentliche politische Willensbekundung. Mit diesem erlebnisorientierten Aktionismus sollen junge Menschen angesprochen und stärker an die neonazistische Szene gebunden werden. Jedoch gelingt das durch solche klandestinen Aktionen kaum, da nur ein vertrauter Personenkreis eingeweiht wird.

Für die antifaschistische Zivilgesellschaft gilt es auch weiterhin, die enge Zusammenarbeit von Berliner und Brandenburger Neonazis in den Blick zu nehmen. Die „Autonomen Nationalisten“ vom „Nationalen Widerstand Berlin“ („nw-berlin“) scheinen in den letzten Monaten ihr Aktionsfeld nach Brandenburg ausgeweitet zu haben. So gab es Angriffe auf engagierte Einzelpersonen, Einrichtungen sowie die Flüchtlingsunterkunft in Waßmannsdorf, bei denen „nw-berlin“-Schmierereien als eine Art Bekennerschreiben hinterlassen wurden.