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Sollen Nazi-Demos verboten

werden?



Versammlungsbehörden haben rechtliche Möglichkeiten, Demos von Neonazis zu verbieten – wenn sie es begründen können. Aber: Schaden Demonstrationsverbote nicht auch der Demokratie?

 

Nein, durch Verbote ändern sich keine Gesinnungen!

Angelika LexAngelika Lex, ist seit 25 Jahren Rechtsanwältin in München, Richterin am Bayerischen Verfassungsgerichtshof und Vorsitzende der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V.

 

Ein Verbot ist immer ein bestechendes Argument: Wenn eine Nazidemo verboten wird, sind die Nazis nicht auf der Straße, sie sind nicht sichtbar und es gibt keine Auseinandersetzungen. Aber sind die Nazis, ihre braune Gesinnung und ihre Taten deshalb verschwunden?

 

Zum einen sind Verbote von Nazidemonstrationen in der Regel juristisch sehr schwer durchzusetzen, denn zu Recht räumen die Gerichte der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit in unserer Demokratie einen sehr hohen Stellenwert ein. Bei der Neuregelung des Versammlungsrechts, bei der weitreichenden Einschränkungen dieser Grundrechte beschlossen wurden, war immer behauptet worden, dass es mit dem neuen Versammlungsgesetz viel einfacher sein würde, Nazidemos zu verbieten.
Die Praxis zeigt das Gegenteil: Das Versammungsgesetz bedeutet nur massive Einschränkungen für alle Menschen, die ihre Grundrechte wahrnehmen wollen, hat aber noch keine einzige Nazidemo verhindert. Zwar ist das politische Signal eines Verbotes durchaus wichtig, aber ein vom Gericht aufgehobenes Verbot ist auch immer wieder ein Triumph für Nazis.

Aber auch unabhängig von den rechtlichen Hürden, ist ein Verbot meines Erachtens der falsche Weg. Menschen mit rechsradikaler Gesinnung und Täter mit rechtsradikalen Motiven werden ihren Ideen nicht abschwören und ihre politischen Aktionen und politisch motivierten Gewalttaten nicht einstellen, wenn ein Verbot verhängt wird, nur werden sie unsichtbarer. Das Problem kann aber nicht wegverboten werden, sondern muss in zäher Alltagsarbeit auf der Straße, in Bündnissen und Projekten gegen Rechts und in den Parlamenten bearbeitet werden mit mühevoller Antirassismusarbeit, in Schulen, in der Jugendarbeit und im politischen Alltagsgeschäft. Nur dies wird eine nachhaltige Problemlösung bringen, nicht kurzfristige ordnungspolitische Maßnahmen.

Ein repressives Verbotssystem schlägt auch immer auf alle Menschen, die ihre Grundrechte in Anspruch nehmen wollen, zurück. Denn Einschränkungen der Freiheitsrechte werden nicht nur gegen Nazis angewendet, sondern auch gegen Versammlungen, Aktionen und Aktivitäten gegen Rechts. Zu den bereits vorhandenen Repressalien, wie Extremismusklausel und Überwachung durch den Verfassungsschutz, sollten den Behörden nicht neue Einschränkungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden, notwedig sind vielmehr politische und finanzielle Unterstützung von KämpferInnen gegen Rechts.

 

 

Ja, aus Solidarität mit den Opfern der alten und neuen Nazis!

Markus TervoorenMarkus Tervooren ist Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.
 

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) setzt sich seit der Gründung der neofaschistischen NPD im Jahr 1964 für das Verbot dieser NSDAP-Nachfolgepartei ein. Verbunden damit ist für uns die Forderung nach Entschädigung aller Opfer des Faschismus, das Engagement für gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben, und gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus sowie Antiziganismus – auf der Straße, in (staatlichen) Institutionen, in den Köpfen der Menschen.

174.445 Menschen haben bereits 2007 mit ihrer Unterschrift gefordert, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD auf den Weg zu bringen. 5.405 Menschen haben im Jahr 2009 ihre Argumente für ein Verbot auf unser Kampagnen-Seite nonpd eingestellt. Ein wichtiges Argument ist, dass das faschistische Menschenbild dem Artikel 1 des Grundgesetzes widerspricht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das fordern wir vom deutschen Staat und von den demokratischen Parteien ein, weil sie das den alten und neuen Opfern der Nazis schuldig sind.

Das Verbot der NPD würde die gesamte Neonaziszene sofort empfindlich treffen, schließlich treten NPD-Funktionär_innen und -Abgeordnete als Anmelder_innen von Neonazi­demonstrationen auf und nutzen dabei ganz gezielt das Parteienprivileg aus. Bundes-und Landesparteitage der NPD finden in öffentlichen Räumen statt, die Partei hat Dauergenehmigungen für Informationsstände. Solange die NPD nicht verboten ist, wird dies meist genehmigt und von der Polizei durchgesetzt werden. Die Parteienfinanzierung und die Bezüge der Abgeordneten in den Parlamenten, ermöglichen der NPD erst eine breite öffentliche Wahrnehmung und spielen der Normalisierungsstrategie der Neonazis, ihre Hetze als Teil eines demokratischen Diskurses darzustellen, in die Hände. Die Abgeordneten- und Fraktionsbüros sind Zentralen einer neofaschistischen Bewegung, die weit über die NPD, bis in den Bereich des Rechtsterrorismus, hinausgeht. Rassistische Hetze, verbale und direkte Angriffe auf alle, die nicht in das Weltbild der Neofaschist_innen passen, werden so staatlich sanktioniert und finanziert, und zwar mit Millionenbeträgen. Die Zuwendungen an V-Leute der Verfassungsschutzämter sind da noch gar nicht mitgezählt. Das alles könnten und müssen wir den (potenziellen) Opfern ersparen.

Das Verbot der NPD ist kein Ersatz für ein breites zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts, aber ein klares Zeichen, wie sich diese Gesellschaft, ihre Parteien und dieser Staat positionieren. Dieses Zeichen ist gerade nach dem sogenannten NSU-Skandal, der vorhergehenden Ignoranz und Gleichgültigkeit gegen über den Opfern und deren Angehörigen, dringend nötig. Nazi-Aufmärsche, seien sie von NPD-Mitgliedern oder anderen Neofaschist_innen organisiert, werden wir auch weiterhin blockieren – ist doch klar.


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